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LEAA - Ein Interview zum Talentprognosesystem mit Mag. Christoph Peischler

Die AG Sportwissenschaften des VÖN arbeitet seit einiger Zeit intensiv an der Umsetzung des österreichweit einzigartigen Talentprognosesystem LEAA. Die Entwicklung des Sichtungstools erfolgt in enger Abstimmung mit den Bundesfachverbänden und befindet sich in ständigem Ausbau.

Wir haben den Leiter der AG Sportwissenschaften und Mitentwickler der LEAA Mag. Christoph Peischler zum Interview gebeten!

Christoph, du bist ja ein sehr tatkräftiger Mitentwickler des Talentprognosesystems „LEAA“. Kannst du uns kurz erklären, was „LEAA“ ist und wofür es steht?

LEAA steht für „langfristige Entwicklungsanalyse für AthletInnen“ und beschreibt die umfassende Einschätzung des Entwicklungspotentials eines Talents im Nachwuchsleistungssport. Im Nachwuchsleistungssport stehen leider sehr oft die falschen Schwerpunkte, wie z.B. die Erfolge im Wettkampf, im alleinigen Fokus. Dabei bleiben zu oft die langfristig wichtigen Ausbildungsthemen wie eine fundierte technisch/taktische Schulung, oder eine breite sportmotorische Basis auf der Strecke. Auch andere Faktoren wie Psyche, Umfeld und Belastbarkeit werden sonst nur selten in eine Einschätzung miteinbezogen.

Durch LEAA lässt sich der Entwicklungsstand bei den altersrelevanten Ausbildungsinhalten einschätzen, und so eine Prognose für das langfristige Entwicklungspotential eines Talents treffen. Das Ziel ist es, die langfristig erfolgsversprechenden Talente zu finden und individuell zu fördern.

Seit wann arbeitet ihr an diesem Projekt?

Die ersten Überlegungen begannen bereits vor mehreren Jahren im kleinen Rahmen als wir sahen, dass wir zu viele Talente im Jugendbereich durch eine unzureichende Ausbildung im sportartspezifischen und allgemeinen Grundlagenbereich verlieren. Zusätzlich erfolgt die Einschätzung der Talente und deren Potentials oft zu einseitig über deren Wettkampfleistung. Dies bevorzugt in der Bewertung der Talente oftmals die im Jahreszyklus frühgeborenen und frühentwickelten Talente. Dieser Trend beschränkt sich nicht nur auf die steirischen und österreichischen Gegebenheiten, sondern ist auch auf internationaler Ebene Realität.

Um diesen Tatsachen entgegenzuwirken, begannen wir auf Basis internationaler Beispiele ein System für die österreichischen Nachwuchsleistungssportmodelle zu entwickeln.

Welche Ziele werden mit Hilfe von LEAA verfolgt?

Das Ziel ist es die langfristig erfolgsversprechenden Talente zu finden und langfristig mit dem dualen System von Ausbildung und Leistungssport in die Elite der „allgemeinen Klasse“ zu überführen. Gemeinsam mit den Sportfachverbänden muss es uns gelingen mehr Talente früh zu erkennen und entsprechend qualitativ und nachhaltig zu fördern. Der Ausbau und die Entwicklung der Leistungssport-Unterstufen in den Nachwuchskompetenzzentren spielen dabei eine bedeutende Rolle. Nur bei einer koordinierten Förderung in der so wichtigen Altersstufe der 10- bis 14-Jährigen lässt sich der Grundstein für weitere Höchstleistungen legen. Sensible entwicklungsrelevante Themen wie der Wachstumsschub und die speziellen Entwicklungsphasen fallen in diesen Altersabschnitt.

Was sind die Vorteile dieses Talentprognosesystems?

Der Vorteil liegt in der Verknüpfung von der Expertise aus den Sportarten mit weiteren Beurteilungsfaktoren. Nur dadurch lässt sich ein umfassendes Bild des Talents abbilden.

Dazu zählt die Wettkampfleistung und die technisch / taktische Leistungsfähigkeit bezogen auf die jeweilige Sportart, und die allgemeinen Faktoren der Sportmotorik, der Entwicklung gegenüber der letzten Einschätzung, eine Umfeldbewertung, die Belastbarkeit des Talents im Trainingsprozess und natürlich auch die psychische Komponente.    
Über eine Gewichtung nach alters- und sportartspezifischen Gesichtspunkten wird die Gesamtschätzung auf den jeweiligen Entwicklungsabschnitt der SportlerInnen abgestimmt. Zusätzlich erfolgt eine Korrektur durch das biologische Alter und das Relative Age. Die Gesamteinschätzung erfolgt in Form eines Scores zwischen „0“ und „100“ und lässt sich in weiterer Folge über die Entwicklungsstufen des Talents vergleichen.

Wie weit ist die LEAA momentan? Ist sie schon einsatzbereit?

LEAA ist in der Systematik und im Ablauf fertig für die Umsetzung ausgearbeitet. Zusätzlich muss die Abstimmung mit den jeweiligen Bundesfachverbänden in Bezug auf die spezifischen Beurteilungsschema erfolgen. Dies ist in den Sportarten Judo, Schwimmen und Golf bereits erfolgt. Einsatzbereit ist sie nach einem ersten „Testballon“ auf Bundesebene in kleinem Rahmen, der aktuell mit Judo und Schwimmen am NWKZ Steiermark stattfindet; Golf folgt nach deren Wettkampfsaison.

Im Hintergrund sind wir mit weiteren Bundesfachverbänden im Gespräch. In der Steiermark wird das System zur Einschätzung der Leistungszentren bereits eingesetzt. Die Resonanz ist sehr positiv, die Entwicklung und Ausgestaltung der Beurteilungsvorgaben erfordert einiges an Aufwand. Ziel ist es, die kooperierenden Verbände der Reihe nach in das System zu integrieren, um langfristig alle an den VÖN-Modellen vertretenen Sportarten abzudecken. 

Für welche Sportarten kann die LEAA verwendet werden? Wie funktioniert hier die Zusammenarbeit mit den Bundesfachverbänden bezüglich des Talentprognosesystems?

Um beim Beispiel Judo zu bleiben: Die sportartspezifischen Einschätzungen erfolgen über die Verbände, die allgemeinen motorischen Testungen und die Zusammenführung der Daten finden am Nachwuchskompetenzzentrum statt. Auf Basis der Ergebnisse erfolgen die Abstimmungen zwischen den TrainerInnen und den Nachwuchskompetenzzentren. Zusätzlich ist es auch eine vereinheitlichte Grundlage für die Befürwortung der Fachverbände der Talente in die Nachwuchskompetenzzentren des VÖN.

Insgesamt ist es für uns ein sehr aufregendes Projekt, weil dadurch erstmals eine vereinheitlichte Analyse unserer Talente, gemeinsam mit den Fachverbänden und über die VÖN-Standorte in den Bundesländern übergreifend, möglich ist bzw. sein wird.
                                                                                                   

Mag. Christoph Peischler hat die Leitung der AG Sportwissenschaften / Datenbank im VÖN über und ist als Sportwissenschaftler am NLZ Steiermark tätig.

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